Zu viele Hüte an der Garderobe?!

Claudia Huhn

Mutter, Unternehmerin, Lebensgefährtin, Freundin, Tussi, Tochter, die Liste der Hüte, die auf meiner Garderobe des Lebens hängen, würde vermutlich noch länger, wenn ich noch eine Weile darüber nachdenken würde.

Ganz schön lang, die Liste, sagt eine leise Stimme manchmal in mir. Wirst Du allen immer gerecht, bohrt sie weiter. Und wenn nicht, welche trägst Du zu selten? Kann es sein, dass immer die Hüte hängen bleiben, bei denen es nur um Dich geht, schmeichelt sich die Stimme ein, während sie frisch, fröhlich Zweifel an dem aktuellen Lebensentwurf sät. So oder ähnlich sieht vermutlich der innere Dialog vieler Frauen aus. Lange Zeit habe ich dieser Stimme Raum gegeben. Heute, vielleicht hat das auch etwas mit der Gelassenheit eines bestimmten Alters zu tun, tue ich das nicht mehr.

Heute höre ich die Stimme immer noch, allerdings sind meine Antworten andere, bewusster, weil entschiedener. Ja, so könnte der Dialog aussehen, die Liste ist lang, und nein, ich werde nicht immer allen gerecht, und ja, es sind oft die Hüte, bei denen es nur um mich geht, die zu lange auf der Garderobe hängen, und nein, das ist nicht schlimm, denn das alles habe ich bewusst entschieden.

Es ist sicherlich eine tendenziell weibliche Eigenschaft immer überall perfekt sein zu wollen und allen Rollen, allen Ansprüchen zu einhundert Prozent gerecht werden zu wollen. Aber ist das, bei genauerem Hinsehen, nicht naiv zu glauben, dass das realistisch sein kann?

Ich persönlich habe mich vor 17 Jahren dazu entschieden selbständig sein zu wollen. Mir macht meine Arbeit sehr viel Freude und selbstverständlich hatte ich mich mit dieser Entscheidung, die ich noch nie bereut habe, auch für die dazugehörigen Schattenseiten entschieden. Denn jede Entscheidung hat Sonnen- und Schattenseiten. Mit den Sonnenseiten lässt es sich immer leicht leben, die viel wichtigere Frage ist, ob wir mit den jeweiligen Schattenseiten leben können oder wollen.

Als dann einige Jahre später die Rolle als Mutter dazu gekommen ist, mussten die Prioritäten und auch die Kapazitäten neu verteilt werden. Im Sinne einer Wenn-Dann-Entscheidung war auch hier klar, dass vieles nicht mehr so weitergehen konnte, wie es ohne Kind bislang gewesen war. Manche Hüte, das machte die bewusste Entscheidung bzw. Priorisierung schnell klar, würden für einige Zeit wenig bis gar nicht zum Einsatz kommen. Mein Satz hierzu ist bis heute: Das ist aktuell nicht dran. Ganz konkret: Wenn ich, was ich von Herzen gerne tue, nämlich eine gute Unternehmerin sein möchte und das bedeutet, dass ich in mein Unternehmen gerne Zeit investiere, dann nutze ich die verbleibende zuallererst mit meinem Kind. Daraus resultiert, dass ich deutlich weniger Zeit für meine persönliche Rollen, wie die der Freundin oder Tussi habe.

Erst viel später ist mir klar geworden, was mich in den selbstbewussten Austausch mit meiner inneren Stimme hat treten lassen:

  1. Die bewusste Entscheidung für ein Lebensmodell, mit all seinen Vor- und den daraus resultierenden Nachteilen, Schwächen oder Schattenseiten.
  2. Die bewusste Entscheidung dazu, dieses gewählte Lebensmodell anderen Personen, außer meiner Kernfamilie gegenüber, nicht zur Diskussion zu stellen. Wenn anderen an meinem Lebensmodell etwas nicht passt, dann ist das deren Problem, nicht meins.
  3. Das Akzeptieren der Tatsache, dass im Leben nicht immer alles möglich ist. Das Wählen der einen Option geht oft einher mit dem Abwählen einer anderen. Und das ist ok so. Manches ist aufgeschoben, nicht aufgehoben. Manches kommt wieder, anderes ist für immer vorbei. Und: Das Leben geht weiter, verändert sich, bringt Neues, verabschiedet Altes

Es macht oft den Anschein, als bräuchten wir Frauen keine wirklichen Feinde, sind wir uns selbst doch häufig die ärgste aller Feindinnen. Und doch scheint es, als würden wir uns gegenseitig nicht wirklich effektiv unterstützen. Oder ist es nicht immer wieder so, dass wir nach außen den Anschein erwecken wollen, dass wir diese ganzen Lebenshüte perfekt und mit Leichtigkeit tragen? Oder nehmen wir uns nicht oft das Recht heraus, das Lebensmodell der anderen zu bewerten: „Na ja, denkst du wirklich, dass das Annehmen der Oberarztstelle für deine Kinder das Wahre ist?“, statt zu sagen: „Was braucht es für dich, damit du diese Chance, sofern du sie wahrnehmen möchtest, mit einem guten Gefühl ergreifen kannst?“. Verfallen wir nicht häufig in ein Kollektiv-Beschweren, wie anstrengend und ungerecht das Leben einer Working-Mum ist, statt stolz auf das zu sein, was wir im Vergleich zu anderen Gesellschaften tun können und, noch krasser, tun dürfen. Ja, die Zeit als Unternehmerin und Mutter kleiner Kinder ist sicherlich anspruchsvoll und zehrt an Nerven sowie Kräften. Nur: Kann es nicht sein, dass uns die Alternativen, die es für jede von uns gibt, noch weniger gefallen würden? Verständnis füreinander, gegenseitige Unterstützung, Akzeptanz des anderen Lebensmodells, das würde ich mir von Herzen für jede von uns wünschen. Wenn wir dies nicht untereinander realisieren können, dann können wir es auch nicht von der Gesellschaft als Ganzes erwarten.

Und solange das noch auf sich warten lässt, sorge ich selbst für mich. Entscheide mich immer wieder neu und aktiv für mein Lebensmodell, akzeptiere, dass nicht immer alles geht und applaudiere mir selbst für meine Leistungen, sowohl beruflich, wie auch privat. Das hat auch mittlerweile meine innere Stimme realisiert. Mir gefallen nämlich alle meine Lebenshüte, jeder einzelne von Ihnen.

Ihre Claudia Huhn

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